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Artikel: ADHS bei Kindern – was ist das?

Was ist ADHS

ADHS bei Kindern – was ist das?

Energiegeladene und impulsive Kinder, die dauernd in Bewegung sind, stellen eine echte Herausforderung für Eltern und Lehrer dar. In vielen Fällen ist es einfach ihr temperamentvolles Naturell, das sich mit zunehmendem Alter verändert. Manchmal liegt dem auffälligen Verhalten jedoch eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zugrunde.

In diesem Artikel informieren wir Dich darüber,
  1. wie ADHS bei Kindern entsteht
  2. welche Faktoren die Krankheitsentwicklung auf positive und auf negative Weise beeinflussen
  3. was passieren kann, wenn ADHS nicht richtig therapiert wird

Was verstehen Mediziner unter ADHS?

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen, die von Psychiatern bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland diagnostiziert werden. Gemäß der Kriterien der US-amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-5) teilen Ärzte ADHS-Patienten in drei Untergruppen ein:

  • impulsiv-überaktiver Typ
  • überwiegend unaufmerksamer Typ
  • Mischtypen aus unterschiedlichen Anteilen an Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Überaktivität

Da die Begriffe überaktiv, impulsiv und unaufmerksam die Grundlage für die Diagnose von ADHS bilden, sind sie genau definiert.1 Einfach ausgedrückt bedeutet Unaufmerksamkeit eine schlechte Konzentrationsfähigkeit; Impulsivität stellt gedankenlose, spontane Handlungen dar. Ein überaktives Kind ist der klassische Zappelphilipp.

Wenn Du Dich intensiver mit den Diagnosekriterien für ADHS beschäftigen willst, findest Du hier leicht verständliche Erklärungen.

Jugendliche und Kinder mit ADHS sind schnell

  • frustriert, wenn man sie nicht sofort versteht
  • entmutigt und geben auf, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt
  • beleidigt, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden oder jemand zu wenig Interesse zeigt
  • beunruhigt und ängstlich, wenn sie in eine neue Situation geraten

Fehlt als Symptom der gesteigerte Bewegungsdrang, nennen Mediziner die Erkrankung Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS). Betroffene kapseln sich ab und wirken auf Außenstehende wie Träumer (Hans guck in die Luft).

Kind mit ADS

Wichtiger Hinweis:

In Deutschland verwenden einige Ärzte zur Diagnose von ADHS bei Kindern den Kriterienkatalog ICD-10. Auf internationalen wissenschaftlichen Kongressen betonen Experten immer wieder, dass sich mit dem ICD-10 ADHS ausschließlich bei Jungen zwischen 6 und 12 Jahren bestimmen lässt. Für unter 6-jährige und über 12-jährige Jungen sowie für Mädchen in allen Altersklassen gilt der ICD-10 nicht!

Wie entsteht die Krankheit ADHS?

Ärzte und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Anlage zu ADHS von den Eltern an ihre Kinder vererbt wird. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Erkrankung familiär gehäuft auftritt.

Anders ausgedrückt: Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher die Diagnose ADHS erhält, ist möglicherweise auch ein Elternteil davon betroffen, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

Nach heutigem Erkenntnisstand weisen ADHS-Patienten eine Funktionsstörung im Gehirn auf. Der Grund dafür liegt in einer Unterversorgung mit den Botenstoffen (Neurotransmittern) Serotonin, Noradrenalin und vor allem Dopamin.

Dadurch kommt es zu einer gestörten Weiterleitung äußerer Reize zwischen den Nervenzellen (Neuronen). Die Filterung der Informationen erfolgt nur unzureichend, sodass im Gehirn eine permanente Reizüberflutung stattfindet.

Aufgrund der fehlerhaften Informationsverarbeitung äußerer Reize nimmt ein Kind mit ADHS die Wirklichkeit anders wahr als ein gesunder Gleichaltriger. Als Folge treten typische Verhaltensauffälligkeiten wie Unaufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität auf.

Statistische Daten zu ADHS bei Kindern in Deutschland

Aktuellen Daten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) zufolge leiden in Deutschland 6,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 1 und 17 Jahren an ADHS. Bei den 9-jährigen Jungen ist beinahe jeder siebte (13,9 Prozent) betroffen. Im Vergleich zu statistischen Erhebungen aus dem Jahr 2009 bedeutet das eine Steigerung von über 20 Prozent.2

Psychiater stellen diese Diagnose bei Jungen mehr als vier Mal so oft wie bei Mädchen.3 Ein bis zwei Drittel der erkrankten Kinder haben noch im Erwachsenenalter ADHS-Symptome.4

Die Diagnose ADHS weist eine hohe Fehlerquote auf

Die enorme Zunahme an ADHS-Diagnosen in den letzten Jahrzehnten rief zahlreiche Kritiker auf den Plan. Wird ADHS häufig fehldiagnostiziert, helfen wir oder schaden wir eher den Betroffenen? Fragen wie diese diskutieren Wissenschaftler inzwischen ganz offen in renommierten Fachzeitschriften.5, 6

In einer Studie aus dem Jahr 2012 konnten Forscher der Universität Basel und der Ruhr-Universität Bochum belegen, dass Kinder- und Jugendpsychiater bei ADHS offenbar häufig danebenliegen. Die Forscher schickten fiktive Fallberichte von Jungen und Mädchen mit ADHS-ähnlichen Symptomen an 1000 Psychiater und Psychotherapeuten und baten um eine Diagnose.

Nur ein Viertel der Fallberichte durfte nach den geltenden Kriterien und Leitlinien als ADHS diagnostiziert werden. Tatsächlich wurden auch viele nicht eindeutige Fälle mit diesem Label versehen. Das Ergebnis der Studie: Jede sechste ADHS-Diagnose ist falsch.7

Erschreckenderweise erhielten bei vollkommen identischen Fallberichten lebhafte Jungen doppelt so häufig die Diagnose ADHS wie Mädchen. Offenbar lassen sich einige Psychiater zu sehr von subjektiven Kriterien leiten und halten sich nicht streng an die offiziellen Leitlinien. Kein Wunder, dass in Deutschland die Fallzahlen von ADHS bei Kindern nach oben schnellen.

Die schulmedizinische Therapie bei ADHS

Ärzte behandeln ADHS in erster Linie mit Medikamenten, die den Wirkstoff Methylphenidat enthalten. Dazu zählen Produkte wie Ritalin, Equasym, Medikinet und Concerta. Darüber hinaus kommen die Präparate Attenin (Wirkstoff: Dexamphetaminsulfat) und der Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Strattera (Wirkstoff: Atomoxetin) zum Einsatz.

Methylphenidat und Dexamphetaminsulfat wirken als Aufputschmittel (Stimulanzien), indem sie die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn freisetzen.

Was geschieht, wenn ADHS unbehandelt bleibt?

Wird ADHS nicht erkannt oder falsch therapiert, nehmen die Verhaltensauffälligkeiten mit der Zeit zu. Oft hat die Krankheit enorme Auswirkungen auf das Familienleben, die Leitungen in der Schule und später auf den Berufsalltag.

Schreiendes Kind

Kinder mit ADHS werden schnell zu Außenseitern, mit denen niemand spielen möchte. Da die Klassenkameraden sie auch nicht gerne zu Kindergeburtstagen einladen, leidet das Selbstwertgefühl.

Zu den typischen Folgestörungen von unbehandeltem ADHS gehören:

  • Verzögerung der emotionalen Entwicklung
  • Probleme, sich in eine Gemeinschaft einzugliedern
  • Lernen, Erinnerung und Gedächtnisleistung sind beeinträchtigt
  • Schwierigkeiten, seinen Tag zu planen und die Zeit richtig einzuteilen
  • Probleme, finanzielle Dinge zu regeln
  • Das eigene Potenzial wird nicht ausgeschöpft

Als Fußgänger oder Fahrradfahrer sind Jugendliche mit ADHS wesentlich häufiger in Unfälle verwickelt als gesunde Gleichaltrige.8 Verhaltensauffällige Erwachsene gehen als Autofahrer höhere Risiken ein.

In einer Studie mit 71 Teilnehmern konnten amerikanische Wissenschaftler nachweisen, dass ADHS-Patienten im gleichen Zeitraum mehr Autounfälle hatten und sich dabei schwerere Verletzungen zuzogen als gesunde Personen in der Kontrollgruppe.9

Bei ungenügend therapierten ADHS-Kindern erhöht sich für die Eltern die Gefahr, eine Depression zu entwickeln. Hinzu kommt, dass der Alkoholkonsum in den betroffenen Familien deutlich größer ist als in Lebensgemeinschaften mit verhaltensunauffälligen Sprösslingen.10

Was begünstigt die Entwicklung von ADHS?

Nach Angaben der berühmten Mayo Clinic können mehrere Faktoren an der Entstehung von ADHS beteiligt sein. Dazu zählen vor allem:11

  1. Ein Elternteil oder einer der Geschwister leidet an ADHS oder einer anderen psychischen Erkrankung.
  2. Belastungen durch Umweltgifte wie Blei. Das Schwermetall kommt hauptsächlich in Farben und in Wasserrohren älterer Gebäude vor.
  3. Der Konsum von Drogen, Alkohol oder Nikotin während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für die Entstehung von ADHS bei den Kindern
  4. Eine Frühgeburt

Bei Kindern, die als Waisen oder mit nur einem Elternteil aufwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit psychischer Auffälligkeiten größer als in einer Familie mit Vater und Mutter.12

In einer aktuellen Studie mit 1384 Kindern und Jugendlichen konnten Wissenschaftler der Universität Hamburg nachweisen, dass sich soziale Einflüsse auf die Ausprägung der ADHS-Symptomatik auswirken. Zu Beginn der Untersuchung stellten die Forscher fest, dass das auffälligste Verhalten bei jüngeren, männlichen Kindern vorlag, die aggressiv waren und deren Eltern an einer psychischen Erkrankung litten.

Im Verlauf der zweijährigen Studie nahmen die ADHS-Symptome am stärksten bei aggressiven Mädchen mit Migrationshintergrund zu, die Angstzuständen hatten und deren Eltern eine ausgeprägte seelische Störung aufwiesen. Umgekehrt verringerten sich die Symptome bei allen Kindern mit der Zeit, wenn das Klima in der Familie besser wurde.13

Fazit

ADHS ist eine psychische Störung, die von den Eltern an ihre Kinder vererbt wird. Aktuelle wissenschaftliche Forschungsarbeiten zeigen, dass mehrere Faktoren den Verlauf der Krankheit beeinflussen.

Ohne eine angemessene Behandlung kann es zu ernsten Folgestörungen kommen. Die Betroffenen haben dann große Schwierigkeiten, sich in den Arbeitsalltag zu integrieren und ein kollegiales Verhältnis zu anderen Mitarbeitern aufzubauen.

Neben der schulmedizinischen Behandlung mit Ritalin & Co gibt es weitere wichtige Ansatzpunkte, die wir in folgenden Artikeln ausführlich darstellen:

Quellenangaben

[1] https://www.gesundheitsinformation.de/adhs-wie-wird-die-diagnose-gestellt.2330.de.html?part=diagnose-67
[2] Bachmann CJ et al. ADHS in Deutschland: Trends in Diagnose und medikamentöser Therapie. Bundesweite Auswertung von Krankenkassendaten der Jahre 2009–2014 zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.. Dtsch Arztebl Int 2017;114(9):141-8.
[3] Schlack R et al. Die Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt. 2007;50:827-35.
[4] Wender PH et al. Adults with ADHD. An overview. Ann N Y Acad Sci. 2001 Jun;931:1-16.
[5] Elder, TE. The Importance of Relative Standards in ADHD Diagnoses: Evidence Based on Exact BirthDates. J Health Econ. 2010 Sep;29(5):641-56.
[6] Thomas R et al. Attention-deficit/hyperactivity disorder: are we helping or harming? BMJ. 2013 Nov 5;347:f6172.
[7] Bruchmüller K et al. Is ADHD diagnosed in accord with diagnostic criteria? Overdiagnosis and influence of client gender on diagnosis. J Consult Clin Psychol. 2012 Feb;80(1):128-38.
[8] DiScala C et al. Injuries to children with attention deficit hyperactivity disorder. Pediatrics. 1998 Dec;102(6):1415-21.
[9] Barkley RA et al. Driving-related risks and outcomes of attention deficit hyperactivity disorder in adolescents and young adults: a 3- to 5-year follow-up survey. Pediatrics. 1993 Aug;92(2):212-8.
[10] Cunningham CE et al. Family functioning, time allocation and parental depression in the families of normal and ADHD children. Journal of Clinical Child Psychology and Psychiatry 17;1988:169-177.
[11] https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/adhd/symptoms-causes/syc-20350889
[12] Sagiv SK et al. Pre- and postnatal risk factors for ADHD in a nonclinical pediatric population. J Atten Disord. 2013 Jan;17(1):47-57.
[13] Wüstner A et al. Risk and protective factors for the development of ADHD symptoms in children and adolescents: Results of the longitudinal BELLA study. PLoS ONE 2019 Mar;14(3):e0214412.

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